Weil die Pandemie in vielen Bereichen die Betreuung von Menschen mit Behinderungen erschwert und Angebote teilweise gar nicht möglich sind, sollen bei der Amalie Sieveking Gesellschaft Duisburg zukünftig ergänzend digitale Lösungen zum Einsatz kommen. Mit einem Digitalisierungsprojekt bereiten sich alle Beteiligten darauf vor.

Es sind vor allem die Kontaktbeschränkungen, die das bisherige Miteinander von Bewohner*innen bzw. Klient*innen und Mitarbeitenden verändern. Beratung und Betreuung fanden an vielen Stellen nicht mehr persönlich statt, sondern per Telefon. Das Team des Ambulant Betreuten Wohnens konnte nur eingeschränkt vor Ort unterstützen. Gruppenangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mussten ausfallen.

Die Bewohner*innen der besonderen Wohnformen hatten kaum Kontakt zu ihren Angehörigen und Freunden. „Welche psychischen und sozialen Folgen diese Einschränkungen haben, ist noch nicht abzusehen“, schreibt die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW.

Mit einem Sonderprogramm möchte sie die betroffenen sozialen Einrichtungen in die Lage versetzen, stärker als bisher die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen und in ihre Arbeit zu integrieren. „Wir sind sehr froh, dass unser Projektantrag für ‚Amalie Digital‘ erfolgreich war“, freut sich Martina Abendroth. Die Geschäftsbereichsleiterin der Amalie Sieveking Gesellschaft Duisburg (ASG) hat damit zusätzliche Mittel zur Verfügung, um in den Einrichtungen und Diensten der ASG mehr digitale Angebote einzuführen und zu nutzen.

Riesenchance für Menschen mit Handicap

„Das ist eine Riesenchance“, findet auch Stefan Schmidt, der die einjährige Projektleitung für Amalie Digital übernommen hat. Der Erziehungswissenschaftler kennt die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen: Er war viele Jahre pädagogische Fachkraft im Wohnhaus Neumühl und ist jetzt als Koordinator der Offenen Hilfen tätig. Seine Erfahrung zeigt, wie unterschiedlich die Vorkenntnisse der Teilnehmer sind: „Nicht jede*r weiß schon, wie das Gerät eingeschaltet wird, was ein Browser ist, wie man eine App installiert oder einen Videochat macht. Dafür sind zum Beispiel einige der Jugendlichen, die in der Außenwohngruppe Amalie leben, richtige Experten und wünschen sich das Erlernen einer weiteren Programmiersprache.“

Workshops vermitteln Kenntnisse

Deshalb gibt es zunächst Schulungsmaßnahmen für alle Teilnehmer*innen, die Interesse an dem Digitalisierungsprojekt haben. Von September bis Dezember 2021 finden in einem großen Mehrzweckraum der ASG sowie in den Wohnhäusern passgenaue Workshops statt, die zwei Mitarbeiterinnen von PIKSL Labor Düsseldorf leiten. Helen Rademakers und Dr. Nadja Zaynel erklären das Ziel: „Es sollen wirklich alle Menschen von digitalen Medien profitieren und sie das Netz uneingeschränkt und eigenständig nutzen können. Bei PIKSL wirken Menschen mit Behinderung daran mit, digitale Barrieren abzubauen.“ Interviews und Fragebögen helfen dabei zu erfassen, wie zufrieden die Teilnehmer*innen mit dem Projekt sind, wie weit die Angebote angenommen werden und wie hoch der Grad der Selbständigkeit in der Bedienung der Endgeräte ist.

Wichtiges Ziel für die nächsten Jahre

ASG-Geschäftsbereichsleiterin Martina Abendroth ist überzeugt, dass alle Beteiligten von der verstärkten Nutzung digitaler Möglichkeiten profitieren werden. „Bisher waren viele Menschen mit einer Behinderung von diesem Bereich der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen. Die Coronakrise hat an dieser Stelle einen deutlichen Nachholbedarf aufgezeigt. Hier wollen wir unabhängiger werden. Mit Hilfe von Amalie Digital können wir unseren Bewohner*innen und Klient*innen Alternativen bieten, die bei Bedarf die persönliche Begegnung ergänzen bzw. ersetzen Diese Aufgabe wahrzunehmen ist ein wesentliches Ziel der ASG für die nächsten Jahre.“